Rückblick zum GedankenGang "'Ungleich vereint'? - Bleibt der Osten wirklich anders?" von Anna Lux

GedankenGang: „Ungleich vereint“? – Bleibt der Osten wirklich anders?
am 21.9.2024 mit Dr. Anna Lux (Universität Freiburg) und Dr. Rainer Totzke (Leipzig) / Warm-up zum Festival „Leipzig denkt: Mut & Unmut“ 2024

Rückblick von Dr. Anna Lux

Samstagnachmittag, 25 Leute, Wilhelm-Leuschner-Platz. Der Vorauftakt des Festivals beginnt mit einem Gedankengang. Warum der Osten anders bleibt, erklärt der Soziologe Steffen Mau anschaulich, sinnhaft und zutiefst gegenwartsbezogen in seinem aktuellen Buch „Ungleich vereint“.

Das Buch nimmt die Historikerin Anna Lux zum Ausgangspunkt für Impulse und gibt den Besuchern Fragen mit auf den Weg: Wie war das, als Ihr das erste Mal in Ost oder West wart? Was hat für Dich persönlich der Umbruch von 1989/90 bedeutet? Aber auch, wie können wir weiterdenken? Wie mit Abwanderung umgehen, wie mit dem Eliten-Gap? Und was sind eigentlich Möglichkeiten, Demokratie anders zu denken und zu praktizieren?

Hier knüpfte der GedankenGang an Steffen Maus Plädoyer an, den Osten als einen demokratischen Experimentierraum zu verstehen, als „Labor der Partizipation“. Denn zwischen Suhl und Greifswald gibt es eine andere politische Kultur, ein anderes Verständnis von Demokratie – entstanden durch sehr unterschiedliche Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten: durch die Erfahrung mit Politik und Macht in der DDR, mit Selbstwirksamkeit 1989/90, im „wunderbaren Jahr der Anarchie“ (Christoph Links), aber auch mit ungenügender Repräsentation und ungenügenden Partizipationsmöglichkeiten in der Wiedervereinigungsgesellschaft. Es gibt im Osten also eine andere politische Kultur, aber auch ein anderes demokratisches Erbe – beides gilt es zusammenzudenken und als Potential zu nutzen.

Maus Vorschlag für die Erneuerung der Demokratie: durch Losverfahren gewählte Bürgerräte. Andere Vorschläge? – Am Ende des zweistündigen GedankenGangs – auf dem Leipziger Dorotheenplatz sprudeln die Ideen im Publikum. Denken wir die Ideen doch als eine mögliche Zukunft:

Einmal im Monat, am „Partizipationstag“, werden alle Bürger freigestellt, um sich gesellschaftlich zu engagieren. Bundesweit nehmen zudem Millionen an der Umfrage teil: Wie wollen wir eigentlich miteinander leben, was ist uns wichtig? Der Bundespräsident freut sich über die vielen Zuschriften und erzählt in öffentlichen Gesprächsrunden im ganzen Land von den besten Ideen. In Polen schon üblich, nun auch hier: für 1% der von ihnen gezahlten Steuern entscheiden die Bürger selbst, wofür das Geld verwendet wird. Es gibt einen turn im gesellschaftlichen Denken: Auch die FDP hat verstanden, dass wir nicht mehr nur in wirtschaftlichen Parametern denken können, sondern nach dem Gemeinwohl fragen müssen. Die Ampel atmet auf und kann endlich ihrer Arbeit nachgehen. Ehrenamt wird anders wertgeschätzt – auch finanziell, aber nicht nur – und erfreut sich nun großer Beliebtheit; ausgelaugt ist niemand mehr, sondern „Ehrenamt hält frisch“ ist das Motto. Die Informationslogiken verändern sich: Es gibt auf kommunaler Ebene eine gut ausgestattete Informationsabteilung, die sich kreative Möglichkeiten einfallen lässt, um wichtige Informationen über die Situation vor Ort, über Möglichkeiten sich einzubringen, aber auch über anstehende Konflikte sachlich und gut verständlich zu informieren. Schulen, Kindergärten, im öffentlichen Nahverkehr, auf öffentlichen Plätzen – überall gibt es Orte, um innezuhalten und auszuruhen. Aber es gibt auch bestimmte Zeiten, um vor Ort miteinander ins Gespräch zu kommen und so im Alltag ein respektvolles Miteinander zu üben. – Was könnte es noch geben?

Zum Projekt "89 goes Pop" von Dr. Anna Lux

Zum Rückblick als PDF

(Fotocredits: Foto 1 und 3: Jörg Berendsen, Foto 2: Rainer Totzke)

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